Tramperroute von Nord nach Süd


Dr. Andreas Schubert; EU-Office Stadtverwaltung Rostock


Fritz Burschel


13.01.2006





Moderator:

Einst gab es für eingefleischte Trendtouristen eine legendäre Route von Rostock über Tschechien, Ungarn, nach Bulgarien und Rumänien. Diese Achse greift das EU-Programm IdeQua auf, dass insbesondere den Tourismus in Südosteuropa auf die Beine helfen und eine sogenannte Identitäts- und Qualitätsachse von der Ostsee bis zu den EG's etablieren soll. Doch diese Tramperroute von Nord nach Süd hat eine viel ältere Geschichte, einen älteren Hintergrund. Die Achse des IdeQua-Projekts orientiert sich an alten Verbindungswegen von Skandinavien bis nach Konstantinopel. Die Hansestadt Rostock konzentriert sich dabei unter anderem auf die Beziehungen zur Schwarzmeerküste. Darüber möchte ich jetzt mit Dr. Andreas Schubert vom EU-Office bei der Stadtverwaltung Rostock sprechen. Wie genau verhält es sich mit dieser Nord-Süd-Route von Skandinavien nach Konstantinopel? Was können Sie da heute reaktivieren?

Dr. Schubert:

Ja, wie gesagt, diese Nord-Süd-Achse besteht ja sicherlich schon über 2000 Jahre - 3000 Jahre und hat ihre lange Tradition. Früher ist man oft auf einem Pferd über die Flüsse an den Alpen vorbei geritten. Heut zu Tage ist es natürlich etwas anders. Wir haben bei der Europäischen Union festgestellt, dass es also eine sehr interessante Achse zwischen Norden und Süden, zwischen der Ostsee, dem doch am widersprüchlichsten Gebiet der Europäischen Union gibt und dem Schwarzen Meer. Man hat ein großes Interesse, die Wachstumspotentiale aus dem Ostseeraum, wir erinnern an Kopenhagen und an Malmö, die Öresund-Region ist die am stärksten wachsende Region, die am stärksten prosperierende Region in Europa, mit dem Schwarzmeerraum zu verbinden. Über bestimmte Entwicklungsstolpersteine oder Stepstons (sagen wir dazu Trittsteine) wo man also dann Berlin, Prag, Budapest, Bukarest und die Städte am schwarzen Meer miteinander wirtschaftlich verbinden möchte. Wir wissen ja, dass in den DDR-Zeiten, also in den 50er Jahren, 60er Jahren, 70er Jahren, 80er Jahren über die Kontakte des gemeinsamen Wirtschaftsraumes also ähnliche Strukturen entstanden sind, die man jetzt natürlich für die zukunftsträchtige Entwicklung ausnutzen möchte.

Moderator:

Können Sie konkrete Projekte beschreiben innerhalb von IdeQua?

Dr. Schubert:

Ja, wir haben z. B. ganz konkrete Flugverbindungen zwischen Rostock-Laage und Warna. Wir haben beispielsweise ein neues Flugterminal in Rostock-Laage am ehemaligen Militärflugplatz, wo damals die modernsten MIG 21 stationiert waren. Jetzt ist es ein touristischer Zivilflugplatz und dieser Flugplatz gilt z. B. als Entwicklungsmodell für Warna. Die Kollegen aus Warna haben sich diesen Flugplatz ganz genau angeschaut. Darüber hinaus geht es grundsätzlich darum, den Warnauern und den Schwarzmeerstädten zu vermitteln, wie man mit Planung, Strategie und EU-Intervention in öffentlich-privater Partnerschaft einen strategisch ausgerichteten nachhaltig sanften Tourismus im konkreten Interesse der Einheimischen befördern kann. Dies ist ein großes Konfliktfeld, weil wir beobachten mussten, dass in den Schwarzmeerstädten eher Grundstücksspekulanten mit kurzsichtigen eigenen Interessen sehr aktiv sind.

Moderator:

Was machen Sie z. B. mit diesen Grundstücksspekulanten? Welche Einwirkungsmöglichkeiten hat da IdeQua?

Dr. Schubert:

Wir werden im Früher diesen Jahres eine Expertengruppe zusammenstellen, welche der Regionalplanung in der Region Warna helfen wird, einen Naturschutzbereich unter Schutz zu stellen und damit einer spekulativen Immobiliennutzung den Boden dort zu entziehen.

Moderator:

Gestatten Sie mir noch mal eine skeptische Nachfrage. Auf den ersten Blick würde ich jetzt mal sagen der Ostseeraum und der Schwarzmeerraum sind zwei Gebiete, die nicht wirklich viele Berührungspunkte haben. Widersprechen Sie mir?

Dr. Schubert:

Im alltäglichen Leben stimmt das tatsächlich. Aber es geht ja darum, wenn wir über europäische Integration reden, dass wir mit Bereichen und prosperierende Regionen, in dem sich auch Rostock befindet (es sind ja nur 200 km bis nach Kopenhagen) und Berlin prosperiert ebenfalls mit schwächeren Regionen, kooperieren wollen. Es ist unter Raumplanern, Regionalentwicklern eine bekannte Tatsache, dass nicht die unmittelbare Nachbarschaft mit prosperierenden Regionen zum Vorteil von Wachstum für schwächere Regionen funktioniert, sondern das man eben über lange Distanzen in Bereichen kooperieren soll, wo definitiv keine Wettbewerbsnachteile bestehen können. Insofern sehen wir hier sehr große Chancen. Darüber hinaus ist ja immer zu sagen, wir hier als ostdeutsche Rostocker haben natürlich für die Bulgaren eine sehr gute Beispiel- und Anschauungsfunktion und da ermöglichen wir den Schwarzmeerstädten den Einblick in Insiderprozesse, d. h. sie können auch davon ausgehen, dass die Bulgaren unsere Erfolge und auch unsere Misserfolge aus der Innenperspektive beobachten können.

Moderator:

Könnte man vielleicht von so was ähnlichem wie einer Patenschaft sprechen, also ein Teil oder eine Region innerhalb der EU übernimmt die Patenschaft für eine Region, die noch nicht in der EU drinnen ist?

Dr. Schubert:

Ja, dass ist ausdrückliches Ziel der Europäischen Union und diese Patenschaft wird sogar durch das Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau unterstützt. Damit haben wir also sogar die Möglichkeit, die Bulgaren nach Rostock zu Hospitationen und zu konkreter Projektarbeit einzuladen.

Moderator:

Jetzt noch mal ins Detail - Sie arbeiten im Projekt mit der Herdergesellschaft zusammen. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande und welche Ziele verfolgen Sie damit?

Dr. Schubert:

Die Herdergesellschaft ist ein gemeinnütziger Verein, der sich also die Zusammenarbeit im Sinne der herderschen Philosophie vorstellt und sich dafür einsetzt. Wir als Stadt und als Projektnetzwerk arbeiten gerne mit der Herdergesellschaft zusammen, weil wir als Verwaltung sagen, dass die Bürger ihre eigenen und die Allgemeininteressen am ehesten in Eigenverantwortung dadurch wahrnehmen, dass sie sich selbst die Verantwortung nehmen lassen. Dazu ist ein Verein eine ideale Struktur und in sofern kann man also viel bewegen ohne Politik, ohne Verwaltung, durch Eigenverantwortung und eigenes Engagement der Bürger.

Moderator:

Ein weiteres Stichwort ist der Hansesail. Welche Rolle spielt er bei ihren Planungen?

Dr. Schubert:

Die Hansesail ist ein Rostocker Tourismusprojekt, welches 1991 aus der Taufe gehoben wurde und mittlerweile das größte touristische Event im gesamten Ostseeraum ist. Deswegen meinen wir dieses touristische Produkt ist ein ideales Modellbeispiel, welches vielleicht auch im Schwarzmeerraum aufgegriffen werden könnte. Dazu gibt es bereits konkrete Zusammenarbeitsabsprachen. Dazu waren bereits acht Bulgaren bei der letzten Hansesail in Rostock zur Hospitation. Ich kann ihnen nur versichern, dass das Zusammenwirken von Stadtentwicklungsplanung, Stadtentwicklungsmanagement und touristische Produktentwicklungen dazu geführt hat, dass die ehemalige militärisch gesperrte Hafenmeile in der Rostocker Innenstadt zu einer sehr ansprechenden touristischen Bummelmeile geworden ist.

Moderator:

Wenn man jetzt so ein Projekt anschaut, auf welche Perspektive ist es denn ausgelegt? Wie ist es mit der EU-Föderung? Ist sie auf längerfristig angelegt oder ist dieses Projekt auch irgendwann beendet?

Dr. Schubert:

Die EU-Förderung ist prinzipiell und immer und ausnahmslos eine Anschubfinanzierung. Insofern ist dieses Projekt auf das nächste Jahr forciert. Es gibt vielleicht eine Verlängerung bis zum Frühjahr 2007. Definitiv haben EU-Projekte immer eine klare Aufgabenstellung, eine klare Kontrolle derselben und damit ein klar definiertes Ende. Die klar definierten Ergebnisse werden im Wesentlichen darin bestehen, dass es
a) einen Erfahrungsaustausch gab mit den Schwarzmeerstädten, insbesondere den bulgarischen Schwarzmeerstädten
b) eine Wiederbelebung der Städtepartnerschaft zwischen Rostock und Warna und eben auch konkrete Planungsprozesse, Planungsergebnisse, die wir, sagen wir mal als Rostocker, als Region Rostock, dann in der Schwarzmeerregion mit unseren Kollegen begonnen und zu bestimmten Ergebnissen geführt haben.





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