Thema:
Weltkulturerbe digital
Interviewpartner:
Michael Knoche, Leiter Anna Amalia Bibliothek
Moderator:
Fritz Burschel
Datum:
18.11.2005
Moderator:
Wie wichtig es ist kulturelles
Erbe zu erhalten, wurde beim Brand der Herzogin Anna Amalia
Bibliothek hier in Weimar sehr deutlich. Das Bild der
abgebrannten Bibliothek ist ein peinvolles Symbol für die
Vergänglichkeit kultureller Schätze.
Radio Lotte Weimar
stellt im Rahmen der europäischen Gemeinschaftsinitiative
INTERREG verschiedenen Projekte vor, wie zum Beispiel das EU
Projekt HERMES, das heißt soviel wie "heritage and new
media for sustainable regional development" - zu deutsch: Erbe
und neue Medien für nachhaltige regionale Entwicklung. Damit
soll die Erhaltung des kulturellen Erbes gefördert werden.
Zu diesem Thema habe ich heute Herrn Michael Knoche am Telefon.
Er ist Leiter der Anna Amalia Bibliothek. Guten Tag Herr Knoche.
Die Weimarer Klassik Stiftung befasst sich derzeit ebenfalls mit
einem solchen Projekt zum kulturellen Erbe - Weltkulturerbe
digital - heißt es. Dazu findet auch heute 14:00 Uhr eine
Pressekonferenz statt. Worum geht es bei diesem Projekt genau?
Michael Knoche:
Da geht es um eine Partnerschaft mit der Firma EMC, einer Computerfirma, die uns die technischen Voraussetzungen bereitstellt, um unsere Digitalilsare von historischen Büchern im Netz zugänglich machen zu können. Das heißt, wir haben einen schönen, wunderbaren, riesigen, alten Bestand an Büchern, den wir gerne publik machen möchten im Netz, aber uns fehlten dafür bisher einige technische Voraussetzungen, die wir halt beschaffen.
Moderator:
Also eine Art Online-Museum, in dem sich Menschen von zu Hause am Computer die Ausstellungsstücke ihres Hauses ansehen können, sich einen richtigen Gang durch das Museum im Grunde dann also sparen können. Blutet Ihnen als Direktor einer historischen Bibliothek nicht das Herz, wenn Sie so was hören?
Michael Knoche:
Ich habe keine Sorge, dass nicht auch noch lebendige Menschen zu uns kommen werden. Außerdem dürfen Sie es sich nicht genau wie eine Ausstellung vorstellen, sondern es sind tatsächlich fotografierte Bücher von Anfang bis Ende, die wir ins Netz stellen wollen. Wir fangen mit den wichtigsten Quellenwerken an, die für die Wissenschaft interessant sind. Darüber hinaus kann natürlich jeder interessierte Laie sich auch informieren, z. B. über alte Karten des 16. Jahrhunderts oder eine Musikhandschrift des 18. Jahrhunderts, die zufällig und glücklicherweise nicht durch den Brand verloren gegangen ist, oder eben einzelne Teile der Faustsammlungen. Also unser Ziel ist, jetzt nicht eine schöne Ausstellung zu machen, sondern forschungsrelevantes Material für die Literatur - und Kulturgeschichte bereit zu stellen.
Moderator:
Kurze Zeit vor dem großen Brand gab es ja bereits ein ähnliches Projekt. Damit konnte man einzelne Bereiche der Bibliothek in einem so eine Art 3D Rundgang bestaunen. Somit sind also Teile des abgebrannten Gebäudes im gewissen Sinne digital erhalten geblieben. Muss denn erst eine solche Katastrophe passieren, damit neue Ideen in Zusammenhang z. B. mit neuen Medien eine Chance erhalten, oder war der Brand gar nicht der Anstoß zu dem Projekt?
Michael Knoche:
Nein, dieser 3D-Rundgang war vor dem Brand geplant und die Bilder waren ja auch vor dem Brand dafür gemacht worden - 4 Wochen vor dem Brand. Sie sind dann eben ergänzt worden um die Bilder nach dem Brand und haben da zu einem eindrucksvollen Zeugnis geführt, das übrigens auch jetzt nach wie vor über unsere Website www.annaamaliabibliothek.de zugänglich ist. Jetzt geht es ja um diese "puplic drived partnership", um in dem Slang zu sprechen, zwischen der Firma und der Bibliothek. Diese ist tatsächlich erst nach dem Brand zustande gekommen. Es ist einfach so, dass viele Menschen jetzt in Deutschland zum ersten Mal auch gemerkt und erkannt haben, dass in Weimar doch ein großes kulturelles Erbe liegt, das attraktiv ist. Da kommen eben auch Projektvorschläge zuhauf.
Moderator:
Jetzt wissen wir ja alle, die wir uns ab und zu ein Laptop kaufen müssen oder einen Computer, dass sich im Zeitalter der Informationstechnologie die Entwicklungen im Grunde überschlagen. Was werden denn für neue technische Möglichkeiten angewandt, um so ein digitales Archiv zu erstellen oder ist das eigentlich alles bekannt?
Michael Knoche:
Nein, da gibt es verschiedene Elemente, die neu sind. Einerseits haben wir die Farbdigitalisierung für einzelne Werke vorgesehen, bei denen eben Farbinformationen eine große Rolle spielen, wie z. B. alte Kupferstiche, die farblich koloriert sind usw. Dieses werden mit einem hochauflösenden Scanner dann abfotografiert und zwar buchschonend, so dass das Buch selber natürlich weiter existiert und durch diesen Vorgang gar nicht beeinträchtigt wird. Das ist ein Element, was sicher in anderen Bibliotheken und Institutionen in der Form so noch nicht möglich ist. Das haben wir im Auftrag des Bundes als Pilotprojekt mal entwickelt und andere Elemente sind eben die Verzeichnung der Digitalisarie. Wir machen es anders als google, die einfach hunderttausende von Seiten ins Netz stellen, aber in denen man sich nicht zurecht findet, in denen man zwar einzelne Wörter recherchieren kann, aber nicht wirklich das Dokument als Ganzes vor sich hat und in dem man navigieren kann. Dazu haben wir eben auch andere Erschließungsformen entwickelt.
Moderator:
Herr Knoche eine letzte Frage noch: Wird jetzt damit begonnen, das zu archivieren medial-digital oder ist das bereits zugänglich. Kann man die einzelnen Bücher und Karten u.s.w. schon sehen im Netz?
Michael Knoche:
Nein, heute fällt erst der Startschuss für die Zusammenarbeit. Es wird jetzt etwa 5 Monate dauern, bis die ersten Datenmengen im Netz stehen. Das wird dann über die nächsten Jahre kontinuierlich fortgesetzt, so dass dann in ein paar Jahren ein sehr schöner Fundus aus unserem Altbestand im Netz zugänglich sein wird.
Moderator:
Vielen herzlichen Dank, Herr Knoche für diese Information zu dem Projekt Weltkulturerbe digital. Einen schönen Tag noch. Man darf also gespannt sein auf das neue Onlinearchive der Anna Amalia Bibliothek. Wir sprachen mit dem Direktor der Anna Amalia Bibliothek Herrn Knoche.
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