Ausbau der Binnenschifffahrt auf der Elbe


Dr. Ernst Paul Dörfler, BUND


Fritz Burschel


16.12.2005





Moderator:

Die Elbe soll von Hamburg bis zur tschechischen Grenze zur Verkehrsstraße ausgebaut werden, damit auch bei Niedrigwasser die Schiffbarkeit gewährt bleibt. Jahrelang haben Umweltschützer diese Pläne bekämpft. Drei Jahre sind seit dem Elbe-Hochwasser vergangen, alles redet vom vorbeugenden Hochwasserschutz und nun soll die Elbe doch für die Binnenschifffahrt noch weiter ausgebaut werden - passt das überhaupt zusammen?

Dr. Dörfler:

Das ist eine ganz absurde Geschichte und zwar aus verschiedenen Gründen. Einmal wissen wir, dass ein Ausbau von Flüssen zu uniformen Wasserstrassen zu einer Verschärfung des Hochwasserrisikos führt, mit allen Konsequenzen, die wir eigentlich vermeiden wollen. Zum anderen wissen wir auch, dass auch die Natur darunter leidet. Ein Ausbau führt immer dazu, dass Lebensräume von gefährdeten Pflanzen nach und nach verschwinden und zum Dritten ein solcher Ausbau ist ja nicht billig. Er kostet viel Geld, Steuergelder, viele Steuergelder und da stellen wir die Frage: Macht das Sinn, viel Geld auszugeben, Natur zu zerstören und letztlich möglicherweise auch noch das Hochwasserrisiko zu verschärfen, wenn am Ende kaum Güter auf der Elbe transportiert werden. Die Mengen, die auf der Elbe transportiert werden, passen auch auf einen Güterzug pro Tag und dann ist das Problem gelöst.

Moderator:

Nach dem Hochwasser ist ja schon einiges gemacht worden, sind schon einige Maßnahmen ergriffen worden zur Behandlung der Elbe, sagen wir es mal ganz vorsichtig. Was soll denn jetzt nach dem Willen der Bundesregierung noch weiter geschehen?

Dr. Dörfler:

Ja, nach unseren Informationen werden jetzt wieder alte Ausbaupläne ausgegraben. Die Elbe soll an bestimmten Abschnitten weiter eingeengt werden durch Steinverbau und damit vertieft werden. Der Fluss soll also schmaler und tiefer gemacht werden. An zwei Abschnitten ist es vorgesehen und an einem dritten Abschnitt, das ist in Magdeburg, will man den Domfelsen teilweise abtragen, um die Fahrrinne in einen standardmäßigen Zustand zu bringen, dass dort zwei Schiffe sich auch begegnen können, wobei die Wahrscheinlichkeit, dass dort zwei Schiffe sich begegnen statistisch äußerst gering ist. Das kommt höchstens zweimal in der Woche vor und dafür gibt es auch bessere Lösungen, nämlich die Ampellösung, die hat sich bereits bewährt.

Moderator:

Jetzt gibt es ja die Europäische Wasserrahmenrichtlinie. Die verpflichtet die EU-Länder ihre Gewässer in einem guten ökologischen Zustand zu versetzen. Widersprechen die Ausbaupläne dieser Rahmenrichtlinie?

Dr. Dörfler:

Sie widersprechen dieser Rahmenrichtlinie. Wir haben einen Fachanwalt aus München. Der hat im Auftrag der Umweltverbände auch schon eine Beschwerde in Brüssel eingereicht. Die Brüsseler Behörde sieht das Problem ganz genauso, dass der zunehmende Steinverbau der Elbe den ökologischen Zustand nicht etwa verbessert sondern verschlechtert. Die Bundesregierung ist nun aufgefordert, diese Eingriffe entweder zu unterlassen oder es wird vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt werden.

Moderator:

Sie haben ja davor gewarnt, die Elbe zu einem zweiten Rhein zu machen. Welche Fehler sind denn beim Rhein gemacht worden, die man möglicherweise jetzt an der Elbe sich anschickt zu wiederholen?

Dr. Dörfler:

Tja, da hat man eigentlich alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte mit einem Fluss. Man hat vergessen, dass ein Fluss ein natürliches Phänomen ist und natürlicherweise fließt auch das Wasser nie gerade aus, sondern immer in Windungen. Der Rhein wurde drastisch eingeengt. Er wurde begradigt, er wurde kanalisiert, er wurde zu einer Rinne, zu einer Schifffahrtsrinne umfunktioniert. Dort beginnt man jetzt auch zu begreifen, dass diese Entwicklung falsch war und es gibt auch schon Beispiele entlang des Rheines, wo man die versteinten Ufer wieder entsteint oder entsiegelt wie man sagt. Im Osten will man erst noch mal den Aufbau richtig vorantreiben.

Moderator:

Jetzt argumentieren natürlich Befürworter mit wirtschaftlichen Gründen mit steigenden Gütermengen auf der Elbe. Sie haben es schon angesprochen, dass Sie das stark anzweifeln. Eine Diskussion die ja auch im Zusammenhang mit dem Rhein-Main-Donau Kanal vergeblich geführt worden ist. Wie hat sich denn nun eigentlich die Gütermenge entwickelt auf der Elbe.

Dr. Dörfler:

Ja, das Maximum des Güterverkehrs auf der Elbe ist im Jahre 1913 gewesen - seit 1913, also es sind schon fast 100 Jahre, gehen die Gütermengen auf der Elbe kontinuierlich zurück, obwohl die Befahrbarkeit der Elbe immer mehr verbessert wurde. Das ist das Absurde. Auch vor der Wende wurden noch etwa zehn mal mehr Tonnen transportiert als heute, d. h. also, seit 1990 gehen die Gütermengen weiter zurück. Nach dem EU-Beitritt Tschechiens, wo man auch einen großen Aufschwung erwartet hatte, so seit anderthalb Jahren, gehen die Gütermengen weiter zurück. Es ist kaum noch darstellbar, welche geringen Mengen dort überhaupt noch gefahren werden. Es ist eine handvoll Schiffe am Tag. Der Grund ist einfach der, die Massengüter gehen zurück. Die neuen Technologien brauchen die Schifffahrt nicht und die Schifffahrt ist nicht sicher, nicht zuverlässig, weil sie hat drei Feinde: Hochwasser, Niedrigwasser und Eis. Und wenn einer dieser Feinde zuschlägt, kann die Schifffahrt nicht fahren und diese Unzuverlässigkeit ist der Grund, warum die Wirtschaft sich verabschiedet. Ausbau hat auch in den alten Bundesländern nichts gebracht im Hinblick auf mehr Verkehr auf dem Wasser. Es wurden zwar jedes Jahr 600 Millionen Euro in die Wasserstraßen investiert, aber es wurde keine Tonne zusätzlich transportiert, d. h. Geldverschwendung, Naturzerstörung, aber keine erwünschte Verkehrsverlagerung.





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